Autor: Gerhard Scholz
Das Offensichtliche vorweg: Was für Wein gilt, gilt ebenso für Zucker und, wenn man dem alten Paracelsus glaubt, eigentlich auch für alles andere – auf die rechte Dosis kommt es an. Im Fall von Zucker ist jedenfalls sie es, die den Unterschied macht, ob ein Wein staub- oder knochentrocken, puristisch, präzise, konturscharf und geradlinig auf dem Gaumen aufschlägt oder denselben vollmundig, cremig, kraftvoll, rund und hedonistisch einhüllt.
Dabei liegt die Annahme, dass der Winzer irgendwo bei der Weinwerdung dem gärenden Wein ein Säckchen Zucker beimengt, gar nicht so fern. Nach seinem Erfinder, dem französischen Chemiker Jean-Antoine Chaptal, Chaptalisation genannt, ist es bis zu einer festgelegten Höchstmenge beim Weinmachen – im Gegensatz zum Motorsport – zwar erlaubt, Zucker in den Tank zu leeren, wird aber im Qualitätssektor immer seltener betrieben. Erstens erhöht man damit in der Regel nur den Alkoholgehalt des Weins und zweitens ist das Wissen darüber, wie man schon im Weingarten genug Zucker in der Traube entstehen lässt – zum Beispiel mittels Ertragsregulation, Laubarbeit, etc. – bei den Profis inzwischen hinlänglich verbreitet, und obendrein trägt natürlich auch der Klimawandel dazu bei, dass die Trauben ordentlich Zucker auf die Klosterneuburger Mostwaage bringen.