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Vorwärts zur Natur

Vorwärts zur Natur

Klingers spitze Zunge

Willi Klingers spitze Zunge grau breit

Der Aufstieg der Ökologie beim Wein

Der unvergessliche Luis Kracher prägte das Bild der „1985er“ beim Wein, die für diese Branche einen ähnlichen Paradigmenwechsel auslösten wie die 68er-Bewegung im gesellschaftspolitischen Sinn. Es war die Zeit einer allgemeinen Aufbruchsstimmung, mit der eine Hinterfragung althergebrachter Methoden und auch etablierter Hierarchien einherging. Voller Respekt für die großen Vorbilder Bordeaux, Burgund und Champagne strebten Herausforderer in aller Welt nach Anerkennung durch Nachahmung der großen Franzosen: allen voran Italien mit seinen Barolo Boys und den Super Tuscans sowie die sogenannte „New World“ mit dem großen Robert Mondavi als Galionsfigur.

Auch der österreichische Wein mutierte nach dem Tiefpunkt des Weinskandals 1985 vom altvaterischen Heurigengetränk zu einer spannenden, innovativen Szene nach dem Motto „New Wines from the Old World“. Zur Zeit der Gründung von WEIN & CO vor 30 Jahren war die Mentalität in der Weinwirtschaft noch sehr stark vom Fortschrittsdenken mit technologischem Schwerpunkt geprägt. Fast alles drehte sich damals um die Kellerwirtschaft: Computergesteuerte kühle Vergärung mit selektionierten Zuchthefen und Enzymen im Stahltank für blitzblanke, limonadig-fruchtige Weißweine zählte genauso zum herrschenden Zeitgeist wie der Ausbau von vanilligen Rotweinen in kleinen, möglichst neuen Barriquefässern. Dabei wurden für dieses süßlich-runde Geschmacksbild auch kostengünstige Abkürzungen genommen, wie etwa Umkehrosmose statt Ertragsreduktion, die Zugabe von Gummiarabikum für ein molliges Mundgefühl oder der Einsatz von Eichenholzchips sowie pulverförmigen Extrakten zur Imitation des Barriquegeschmacks.

Während der Mainstream diese neuen Weinstile mit weltweit hoher Nachfrage begrüßte, regte sich zusehends Kritik an der Übertechnisierung des Weins, vor allem aus ökologisch sensibilisierten Kreisen. In einem Interview, das ich 1990 mit dem ehemaligen Direktor der Station Oenologique de Beaune, Max Léglise, führte, forderte dieser einen radikal anderen Umgang mit der Natur und damit eine Verlagerung des Schwerpunkts der Diskussion vom Keller auf die Weingärten. Die Wahl der önologischen Methoden kann ja von einem Jahr auf das andere beliebig adaptiert werden, aber die Umstellung von Weingärten auf eine nachhaltig ökologische Wirtschaftsweise ist bekanntlich ein langfristigeres Unterfangen.

Die wenigen Pionierbetriebe dieser Bewegung, wie der Nikolaihof Wachau (seit 1971) oder Nicolas Joly (seit 1981) an der Loire, befanden sich anfangs ziemlich allein auf weiter Flur. Weine aus biologischer Landwirtschaft trafen auf breite Skepsis, denn viele von ihnen entsprachen so gar nicht den gewohnten Geschmacksvorstellungen. Vor allem waren sie die stilistische Antithese zu dem, was gerade in Mode war. Doch der ökologische Diskurs nahm auch politisch Fahrt auf. Grüne Parteien verzeichneten erste Wahlerfolge, wobei ursprünglich die Debatte rund um den Bau von Atomkraftwerken zum Katalysator wurde.

Ab 2006 kam es dann in Österreich zu einer Art Kettenreaktion, als sich namhafte, am Markt höchst erfolgreiche Weingüter wie Loimer, Hirsch, Ott, Fritsch oder etwa sechs Mitglieder der Pannobile-Gruppe – ein Jahr später auch Wieninger – zur Gruppe respekt-BIODYN zusammenschlossen. Der ursprüngliche Konflikt mit dem weltumspannenden Bioverband Demeter, der die Oberhoheit in Sachen Biodynamie beanspruchte, ist mittlerweile einem fruchtbaren Kooperationsprozess gewichen. Und so gibt es bereits Weingüter, die sowohl bei respekt-BIODYN als auch bei Demeter zertifiziert sind (Gernot und Heike Heinrich, Weninger und Tement). Das EU-Biosiegel als Mindeststandard ist übrigens für alle Biobetriebe, egal ob organisch-biologisch oder biologisch-dynamisch auf dem Etikett verpflichtend anzugeben. Österreich hat heute mit 22 Prozent einen der weltweit höchsten Bioanteile im Weinbau.

In dem Bestreben, den nächsten Generationen eine lebenswerte Welt zu hinterlassen, gehen die Weingüter heute die unterschiedlichsten Wege. Die radikalste alternative Bewegung kann unter dem Begriff „Vin Nature“ oder „Natural Wine“ zusammengefasst werden. Ich erinnere mich an Joško Gravners 1999er „Breg“ und an seine Ribolla, kupferfarbene Orange Wines, die ich trotz des ungewöhnlichen Geschmacks interessant fand. Diese besonders von der Französin Isabelle Legeron MW und der New Yorkerin Alice Feiring promoteten alternativen und teilweise sehr umstrittenen Weine fanden in urbanen Märkten und bei jungen Sommeliers ihre Hotspots. Österreich ist hier eines der international meistbeachteten Produktionsländer. Unter den starken steirischen Vertretern ist der Graf Sauvignon Blanc von Sepp und Maria Muster ein Musterbeispiel.

In einem ökologisch sensibilisierten Umfeld hinterfragen immer mehr konventionelle Betriebe die eigene Wirtschaftsweise. Unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit sind ja neben der Arbeit im Weingarten auch andere Aspekte des Ressourcenverbrauchs zu optimieren. Dass Österreich mit dem Programm „Nachhaltig Austria“ die Verwendung des Begriffes „nachhaltig“ nach transparenten Kriterien gesetzlich definiert hat, halte ich für einen nicht unerheblichen Fortschritt. Die Frage, ob eine biologische Wirtschaftsweise im Sinne der Nachhaltigkeit eine Grundvoraussetzung darstellt, entzweit bis heute die Gemüter. Dass immer mehr Betriebe sowohl die Bio- als auch die Nachhaltigkeits-Zertifizierung anstreben, darunter Top-Winzer wie Bründlmayer oder Markus Huber, zeigt, dass sie die entscheidende Zukunftsfrage unseres Planeten persönlich und in allen Aspekten ihres Tuns ernst nehmen. Jedenfalls bedeutet das neue „Vorwärts“ da und dort auch ein „Zurück zur Vernunft“ im Sinne einer Evolution mit viel mehr Respekt vor der Natur.

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