Italiens Super-Trio: 2019, 2020 & 2021
Drei große Jahrgänge in Folge
Autor: Willi Klinger
Auf keinem anderen Kontinent der Welt spielt der Jahrgang eine derart bedeutende Rolle für den Charakter der Weine wie in Europa. Es ist geradezu eine der Säulen der europäischen Weinphilosophie, die Jahrgangsunterschiede nicht durch industrielle Uniformierungsbestrebungen zu minimieren, sondern aus jedem Jahrgang das Beste zu machen, aber dabei verschiedene Weincharaktere zuzulassen. Kleinere Jahrgänge haben auch ihren Reiz, denn nicht jeden Tag wollen wir einen Hammerwein trinken und oft passen leichtere, trinkfreudige Weine, die noch dazu früher zugänglich sind, besser zum Anlass.
Wenn man aber große, lagerfähige Rotweine sucht, die vielleicht erst mit längerer Flaschenreife ihren kompletten Ausdruck zeigen und die auch jene sind, die in der Regel eine Wertsteigerung erfahren, muss man auf die großen Jahrgänge zurückgreifen. In der Geschichte des 20. Jahrhunderts waren diese reifen Ausnahmejahrgänge sehr selten. Oft gab es mehrmals hintereinander kleinere, ja sogar schwache Jahrgänge, bei denen die Schalen und Kerne der Beeren nicht richtig reif wurden und grüne, sperrige Gerbstoffnoten auch mit längerer Lagerung nicht verschwanden. Doubletten großer Jahrgänge wurden gefeiert.
Ich erinnere mich an 1982/1983, 1985/1986, 1989/1990 oder 2009/2010 in Bordeaux. Mit der Klimaerwärmung stieg die Wahrscheinlichkeit solcher Ereignisse, und so gab es abgesehen von 2016 und 2022 mit dem Trio 2018, 2019 und 2020 eine noch nie dagewesene Dichte an Spitzenqualitäten an der Gironde. Analog dazu hat Italien in seinen klassischen Weinhochburgen Toskana und Piemont mit dem Trio 2019, 2020 und 2021 ebenfalls einen beeindruckenden Lauf hingelegt, der wohl nicht mehr so schnell in dieser Dichte auftreten wird.
Unsere Empfehlungen
WEIN & CO hat für Sie acht aus verschiedenen Gründen hochinteressante Flaschen aus dem großen Italien-Sortiment vor den Vorhang geholt. Kein Wunder, dass vier davon aus dem Prestigegebiet Brunello di Montalcino kommen. Der bei Antonio Gallonis exzellentem Portal „Vinous“ für das Gebiet zuständige Verkoster Eric Guido hat eine sehr interessante Aussage zur Typologie von Brunello-Jahrgängen gemacht: Er unterscheidet zwischen guten Brunellos, die nach zehn Jahren am besten schmecken und großen, die 20 Jahre Entwicklungspotenzial haben.
Ich stimme mit ihm überein. Selten habe ich ältere Brunellos getrunken, die mich voll überzeugt haben, obwohl sogar von noch viel älteren legendären Chianti-Jahrgängen geschwärmt wird. Für mich ist großer Sangiovese nach 20 Jahren am Höhepunkt. Das reicht mir auch. Beim Nebbiolo – und übrigens auch beim Aglianico (Taurasi DOCG) – schaut die Sache anders aus: Ein großer Barolo und – jawohl! – auch Barbaresco aus einem guten Keller kann uns auch nach 30 Jahren und mehr mit seinen großartigen Nuancen in Bukett und Geschmack faszinieren.
Und noch etwas ist hervorzuheben: Die heutigen großen Rotweine kann man durchaus auch jung trinken. Aber wer glaubt, dass Jahrgänge wie 2019, 2020 und 2021 in Italien deshalb nicht mehr so lange lagerfähig wären wie die großen Weine aus früherer Zeit, ist auf dem Holzweg.
Zwei persönliche Piemont-Tipps
von Willi Klinger
Eins: Wenn Italiener:innen ein Wort buchstabieren, verwenden sie für den Buchstaben „D“ die Stadt Domodossola. Diese liegt ganz im Norden von Piemont am Fuße des Simplon-Passes, über den man in das schweizerische Wallis gelangt. Auf kargen, sonnseitigen Felsterrassen wächst hier im alpinen Klima der 1309 erstmals erwähnte Rotwein Prünent. Der Name steht für eine rare Spielart des Nebbiolo, die 1920 praktisch ausgestorben war, als sich die Familie Garrone in den Kopf setzte, die letzten wurzelechten Stöcke, die die Reblaus überlebt hatten, wieder hochzuziehen und Prünent zu keltern. Heute ist dieser feingliedrige Nebbiolo Superiore Valli Ossolane DOC ein Star im Alto Piemonte. Zwei: Als bei einer Gaja-Verkostung in Linz Angelo Gajas „kleiner“ Barolo Dagromis eingeschenkt wurde, sagte ein Weinbruder laut und abfällig: „Ein überflüssiger Wein.“ Unter „Sperss“ macht er’s scheinbar nicht. Und dann gewinnt der Dagromis 2019 die große Vinaria Barolo-Verkostung im Jahr 2024 gegen alles, was Rang und Namen hat. Freuen Sie sich auf den 2021er!
Brunello Top-Jahrgänge sichern!
Warum ist der Jahrgang beim Brunello di Montalcino wichtiger als beispielsweise bei einem traditionellen Chianti Classico oder in der Maremma? Diese Frage kann man mit dem speziellen gesetzlichen Reglement für Italiens Prestigewein erklären. Brunello di Montalcino muss nämlich zu 100 Prozent aus der Rebsorte Sangiovese erzeugt werden, die mit ihrer hohen Säure ähnliche Herausforderungen für die Winzer:innen mit sich bringt wie der piemontesische Nebbiolo.
Vor der globalen Erwärmung war es daher beim Chianti Classico kaum vorstellbar, mit 100 Prozent Sangiovese zu arbeiten, eine Produktionsweise, die erst 1996 offiziell zugelassen wurde. Beim Brunello konnte man damals in kleineren Jahren nur sehr wenig vom großen Wein abfüllen, der Rest wurde mit kürzerer Lagerzeit als „Rosso di Montalcino“ verkauft. Durch den Klimawandel, die Fortschritte bei der Weingartenarbeit und der Kellertechnik gibt es heutzutage eine viel regelmäßigere Produktionsmenge von Brunello di Montalcino. Aber damit ein Brunello auch gut und gerne 20 Jahre Reifepotenzial hat, braucht es einen wirklich guten Jahrgang. Das bedeutet, einen Jahrgang mit hoher Reife, aber auch nicht zu viel Hitze, damit eine gewisse Straffheit der Struktur und Frische der Frucht bestehen bleibt.Genau das kann man an den letzten Flaschen unserer großen 2019er Brunellos von Fanti, Il Poggione und Le Ragnaie beobachten. Im kühleren Jahr 2020 gelang Il Marroneto mit dem Madonna delle Grazie der mit Abstand beste Brunello des Jahrgangs. Absolute Kaufempfehlung!